„Die Selbstzweifel sind gewachsen“ | 5,5 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld. Sehr viele wollen arbeiten. Fünf Menschen erzählen, wie sie das Klischee vom faulen Arbeitslosen trifft.

https://taz.de/Buergergeld-Empfaengerinnen-erzaehlen/!6045669/

10 Comments

  1. Wollen arbeiten oder wollen nur in ihrem Wunschberuf arbeiten? Das ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Selbsternannte Schauspieler die sich zu fein zum Kellnern sind und nur auf Schauspielstellen bewerben sind auch Totalverweigerer. An jeder Ecke werden Helfer gesucht die keinerlei Vorkenntnisse mitbringen müssen. Aber das passt nicht in das Weltbild dieses Subs

  2. Babayagaletti on

    Ein paar der Beispiele sind schon leicht seltsam

    1) der Mann ist extremst qualifiziert und will jetzt in einer komplett anderen Branche ohne Vorerfahrung arbeiten. Ja, verständlich, dass er nicht mehr nachts arbeiten will, aber auch ne schwierige Nummer mit 50. Und dann die Nummer:

    >Ich musste mir Geld von meinem Vater leihen. Ich habe das Gefühl, dass Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, schneller Hilfe bekommen – das kann nicht sein.

    >[…] Vor ein paar Wochen hat das Jobcenter einen Nachweis über meine private Altersvorsorge angefordert. Dem Staat wäre es am liebsten, dass man von dem Geld aus der Versicherung lebt. 

    Mal so am Rande, der Selbstbehalt beim Bürgergeld liegt bei 40.000€ in der Karenzzeit. Das ist extrem viel Geld.

    2) ja keine Ahnung, was diese Person erwartet. Ja, man muss sich aktiv kümmern und die Wartezeiten für Ämter sind doch berühmt berüchtigt.

    >Von Juli bis Ende September habe ich kein Bürgergeld bekommen, weil meine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ausgelaufen war. Ich hätte mich früher um einen Termin bei der Ausländerbehörde kümmern müssen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich drei Monate auf einen Termin warten muss. Im August kündigte mein Vermieter den Mietvertrag. Ich wusste nicht, dass das Jobcenter die Miete nicht mehr gezahlt hatte. Vielleicht habe ich etwas übersehen – auf jeden Fall habe ich dann beim Jobcenter angerufen. Die haben mir gesagt, dass ich eine Fiktionsbescheinigung hätte vorlegen müssen, also einen Nachweis darüber, dass ich einen vorläufigen Aufenthaltstitel habe.

  3. Hot_Investigator862 on

    Für mich sind genau solche Artikel und deren fehlende kritische Einordnung ein Problem.

    Nur die ehemals Selbstständige / Ukrainierin beschreiben was sie machen/ getan haben, um weniger Unterstützung zu brauchen.

    Beim Rest scheint es als gegeben angesehen zu werden während der e
    Erwerbslosigkeit einfach nicht arbeiten zu müssen, bis die Umstände wieder passen.

    Es kann mir keiner erzählen, dass nicht wenigstens ein paar Stunden pro Woche im cafe/kino/supermarkt oder wo es sonst noch gelegenheitsjobs gibt, möglich sind.
    Klar beim Einzelnen bleibt dank Anrechnung nicht viel hängen aber dafür muss die Gemeinschaft weniger zahlen.

  4. Puh wenn das Ziel des Artikels war, mehr Verständnis für Bürgergeld Empfänger zu erzeugen ist das aber krachend gescheitert. Für den Herrn mit der Depression hab ich noch das meiste Verständniss. Bei den anderen weicht meine Mentalität (ich habe kien job also muss ich erstmal irgendwas machen auch wenn der Job vielleicht erstmal scheiße wirkt) einfach sehr stark von den Fällen hier ab.

  5. TheCatInTheHatThings on

    Es ist schon faszinierend, wie sich immer wieder auf das Bürgergeld eingeschossen wird, insbesondere in Kombination mit Sozialbetrug. Dabei ergibt sich, mit Blick auf die Relevanz, ein ganz anderes Bild, wenn man sich die Zahlen mal so anschaut:

    Im September 2023 hat das ZDF von einer Schadenssumme in Höhe von 87,9 Millionen Euro hinsichtlich Sozialbetruges an Bürgergeld und Arbeitslosengeld berichtet. Gestützt wurde der Bericht auf Zahlen des Zolls. Generell liegt die Schadenshöhe eines solchen Sozialbetruges wohl irgendwo zwischen 60 und 90 Millionen Euro jährlich. Das ist verdammt viel Geld, keine Frage. Will auch keiner bestreiten.

    Wenn man aber nun bedenkt, dass Steuerhinterziehung einen Schaden von etwa 100 *Milliarden* Euro jährlich verursacht (Zahlen von der University of London 2015, Netzwerk Steuergerechtigkeit 2023, Bericht der Hans-Böckler-Stiftung 2012, der auf OECD Schätzungen Mitte der 00er gestützt wurde), dann ist es lächerlich, sich darüber groß aufzuregen und sich auf das Bürgergeld einzuschießen. Das ist ein Wassertropfen auf dem heißen Stein. Scheiße, aber im Verhältnis völlig irrelevant.

    Das wird noch viel absurder, wenn man bedenkt, dass die Steuerfahndung 2023 nur etwa 835 Millionen Euro an Steuerstraftaten aufgedeckt hat, und dass diese 835 Millionen Euro an hinterzogenen Steuern, von Freiheitsstrafen abgesehen, nur Bußgelder in Höhe von 32 Millionen Euro zur Folge hatten.

    Wo ist da bitte der Aufschrei?

    Und das wird tatsächlich noch bescheuerter, wenn man sich die gesamte Wirtschaftskriminalität anschaut. 2023 wurden sage und schreibe 443 *Milliarden* Euro illegal erwirtschaftet, durch Schwarzarbeit, Steuerhinterziehungen, etc. Für 2024 sind 481 Milliarden Euro prognostiziert.

    Aber ja, das Bürgergeld, das ist was falsch läuft in Deutschland. Oh man… 🤦‍♂️

    Noch bescheuerter ist es, wenn es Millionäre wie Merz und Lindner sind, die sich erdreisten, das Fass Bürgergeld immer wieder aufzumachen und den Fokus auf die Hilfsmittel für diejenigen richten, die sie teilweise wirklich brauchen (von diesen 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern *können* 1,5 Millionen schonmal *gar nicht* arbeiten aus verschiedensten Gründen (lies: “es ist ihnen faktisch gänzlich unmöglich”), aber das ist ja egal. Weil ein paar Nasen das System ausnutzen, muss da der ganze Fokus drauf), während sie aktiv davon ablenken, dass der mit Abstand größte Schaden von der Wirtschaft und von reichen Steuerhinterziehern angerichtet wird.

    Sorry, aber das ist echt einfach erbärmlich, und am schlimmsten ist, dass das zieht. 100 Milliarden. Zum Vergleich, der Bundeshaushalt 2023 hatte 488.609.120.000 Euro. Steuerhinterziehungen kostet uns einfach mehr als ein Fünftel des gesamten Jahresbudgets des Bundes. Das ist das Geld, das uns dann für die Energiewende, die Rente und das Deutschlandticket fehlt.

    Und da soll ich mich über 90 Millionen aufregen, die durch Sozialbetrug an Bürgergeld verloren gehen? Ehrlich, die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun.

  6. Was juckt es eine Eiche, wenn sich eine dahergelaufene Sau daran reibt? Irgendwer ist für irgendwen immer faul.

    Ein Beispiel. Ich habe früher für Taiwanesen gearbeitet und länger in Taiwan gelebt.

    Wenn ich deren Leistungsanspruch als Bemessungsgrundlage für Faulheit nehmen würde, wären 90 % der deutschen Arbeitnehmer faul.

    Aber ich habe auch in Taipeh um 17 Uhr Feierabend gemacht und meine Arbeitnehmerrechte verteidigt, während die anderen für ein 5-Euro-Abendessen auf Firmenkosten noch zwei Stunden unbezahlt oben drauf gearbeitet haben. Jeden Tag. Die nennen das Leistungsbereitschaft, ich nenne das saudämlich.

    Das Privileg, faul sein zu dürfen, ist etwas, wofür unsere Vorfahren mit Blut, Schweiß und Tränen gekämpft haben.

    Man muss das auch einfach mal sagen. Es ist vollkommen in Ordnung, keine Arbeit zu haben und sich die Zeit zu nehmen, eine neue Berufung zu finden. Nicht arbeiten zu gehen, obwohl man es könnte, ist ein ausdrücklich von unserer Verfassung geduldetes Lebensmodell.

    Der gesellschaftliche Wert eines Menschen leitet sich nicht daraus ab, wie viel Steuern man bezahlt oder was man erwirtschaftet.

    Ich lebe heute nachdem ich zwei schwere tödliche Erkrankungen überlebt habe von Bürgergeld + minijob, sitze gerade mit Kaffee, Croissant und einem Joint im Park und genieße meine Freizeit, bevor ich heute Abend wieder die Kinder von rechten Politikern beim Fußballtraining mit linker Ideologie fütter und bei meiner Nachtschicht beim mäces die burger von AfD Bundestagsabgeordneten extra lecker mache.

    Ich würde sagen ich leiste meinen Beitrag.

    Ich habe Spaß daran und bin auch bereit, mein Recht auf Faulheit, also lieber einen Minijob als eine Vollzeitstelle zu machen, vor dem BVerfGE gegen die nächste Regierung zu verteidigen.

    Lasst euch nicht bekloppt machen, Bürgergeld ist Ausdruck eurer Grundrechte, ihr müsst dafür keine Arbeitsleistung erbringen. Wichtig ist am Ende des Tages nur, dass ihr mit euch selbst zufrieden seid.

    Gruß und Dank gehen raus an all die ebenso fleißigen Menschen, die es möglich machen, dass ich mit Bürgergeld selbstbestimmt in Deutschland so leben kann, wie es für mich Sinn macht.

    Seid heute ruhig mal etwas fauler als sonst, ihr habt es euch verdient.

  7. **Diskrepanz zwischen offiziellen Zahlen und Realität**

    Es gibt mehr Arbeitslose als offene Stellen! Im Oktober 2024 waren rund 700.000 Stellen zu besetzen, so die offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Allerdings könnte die tatsächliche Zahl viel höher sein, vielleicht dreimal so hoch, da nicht alle Unternehmen ihre offenen Stellen melden. Aber die offizielle Arbeitslosenzahl von rund 3 Millionen im Oktober 2024 unterschätzt auch die tatsächliche Anzahl der Arbeitslosen, da viele Menschen aufgrund von Maßnahmenteilnahme, geringfügiger Beschäftigung, persönlichen Umständen oder administrativen Regelungen nicht in der Statistik erfasst werden.

    **Phantom-Stellenausschreibungen**

    Zu berücksichtigen ist aber auch, dass Unternehmen Phantomstellen ausschreiben, d.h. Stellen, die sie gar nicht besetzen. Sie tun dies z.B. für Talent Sourcing, Imagepflege, Marktanalysen und Konkurrenzanalysen. In großen Konzernen oder im öffentlichen Dienst müssen sogar Stellen offiziell ausgeschrieben werden, obwohl intern bereits ein Kandidat feststeht.

    **Prekäre Arbeitsverhältnisse und ihre Folgen**

    Nehmen wir die Menschen, die sich von einem Job zum nächsten hangeln. Jeder Sechste arbeitet hierzulande im Niedriglohnsektor. Das hat zur Folge, dass diese Menschen wenig in die Sozialsysteme einzahlen und im Alter auf Unterstützung vom Staat angewiesen sein werden. Zudem arbeiten und leben viele in prekären Arbeitsverhältnissen, was sie anfällig für Krankheiten macht und unser Gesundheitssystem belastet. Kosten, die jetzt schon und in Zukunft explodieren werden.

    **Qualität der Arbeit und Motivation**

    Menschen, die nicht arbeiten wollen oder arbeiten und nicht wertgeschätzt werden, liefern dementsprechende Ergebnisse ab. Will man als Arbeitgeber diese Menschen wirklich beschäftigen? Haben wir wirklich das Problem, dass wir zu viele Arbeitslose haben, die wir in Arbeit bringen müssen, oder haben wir nicht vielmehr das Problem, dass wir zu viele Arbeitsplätze haben, die der Gesellschaft und den Arbeitenden selbst langfristig schaden und zu hohe Abgaben, die die Unternehmen dazu zwingen, schlechte Arbeitsbedingungen zu fördern?

    **Notwendigkeit fairer Arbeitsbedingungen**

    Was fehlt, sind faire Arbeits- und Lohnbedingungen, die dazu führen, dass voraussichtlich viele Arbeitslose wieder eine Beschäftigung finden würden. Übrigens gibt es eine leichte Tendenz, dass Menschen, die z.B. von den Philippinen oder anderen Staaten nach Deutschland geholt wurden, Deutschland wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und Integration wieder verlassen, und das spricht für sich.

    **Mythos Fachkräftemangel**

    In Deutschland herrscht kein echter Fachkräftemangel, sondern ein Mangel an schlecht bezahlten Arbeitskräften/Sklaven. Zudem gibt es Schwierigkeiten bei der Integration gut ausgebildeter Geflüchteter in den Arbeitsmarkt, während gleichzeitig qualifizierte Arbeitskräfte abgeschoben werden.

    **Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik**

    Statt Druck auf Arbeitslose auszuüben, die sich ohnehin nicht wehren können, sollten grundlegende Fragen zur positiven Beeinflussung des Arbeitsmarktes gestellt und umgesetzt werden.

  8. Mehr Leute sollte hier mal den Film “Frohes Schaffen” schauen. Die Kommentare sind ja teilweise wirklich voll von Verachtung und sozialer Kälte. Aber klar: der Sales-Idiot der Kaltakquise betreibt und Rentnern überteuerte Telefonverträge aufschwatzt, ist in dieser Gesellschaft anscheinend gewollter als der Musiker, der 3x die Woche in einem Café auftritt, obwohl er gesamtgesellschaftlich (auch finanziell) viel mehr Schaden anrichtet.
    Einige hier merken offensichtlich nicht, dass es ihnen nicht besser gehen wird, wenn sie konstant nach unten treten.

    https://www.wfilm.de/frohes-schaffen/

  9. Life_Yesterday_7008 on

    Das ist ein schwieriger Artikel, der vielleicht Meinungen bestätigt, aber ohne Einordnung auch nicht mehr leistet. Zuerst sind nur ca. 4 Millionen der Bürgergeldempfänger arbeitsfähig, von diesen stehen 40% (1,6 Millionen) dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, sind also das was man landläufig als “arbeitslos” bezeichnet und somit dem Sanktionsregime voll ausgesetzt. https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2023/das-buergergeld-faktencheck.html

    Der Herr im ersten Beispiel hat in seinem Leben anscheinend sehr viel richtig gemacht und mit 50 keine Lust mehr auf Schichtarbeit, das ist nachvollziehbar. Der wird schon einen vernünftigen Marktwert irgendwo zwischen einem Ekektroinstallateur im Handwerk und einem guten Industriejob haben, allerdings wahrscheinlich nicht nah bei Berlin oder remote. Da wäre ein Umzug wahrscheinlich eine bessere Entscheidung, als das Jobcenter aufzusuchen.

    Wer sich auf Ausländerbehörden verlassen muss, ist verlassen, das ist aber kein Problem des Bürgergelds.

    Dass ein ausländischer Abschluss als “Lebensmittelingenieurin” nicht dem entspricht, was man hier darunter versteht und als Technikerin eingestuft wird, was es in vielen anderen Ländern nicht gibt, ist bei der ganzen Regulierung zur Lebensmittelsicherheit nicht überraschend. Darüber hinaus scheint die Frau ja in der Lage zu sein, mit dem System umzugehen und wird dieses System auch erfolgreich verlassen können. 

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