28.10.2024 – Die EU-Kommission entschied Anfang 2022 gegen die Empfehlung ihrer eigenen Experten, Atomkraft und Erdgas in ihrer neuen Taxonomie als nachhaltige Investition einzustufen. Österreich reichte gegen die Entscheidung eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof ein. Die Entscheidung, Atom und Gas in die grüne Taxonomie aufzunehmen, sei unwissenschaftlich, klimaschädlich, schade deren Glaubwürdigkeit und öffne Greenwashing Tür und Tor.

Acht Greenpeace-Länderbüros klagten ebenfalls gegen den Rechtsakt der EU-Kommission. Das Verfahren ruht bis zur Urteilsverkündung des Verfahrens mit Österreich. In der vergangenen Woche wurde Österreichs Klage vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt, das Urteil liegt noch nicht vor. Zur Anhörung legt Greenpeace einen Report vor, in dem erläutert wird, warum Investitionen in Energieerzeugung aus Atomkraft und Erdgas nicht nachhaltig sind und den Klimazielen der EU widersprechen.

Grüne Investitionen fördern

Eine Taxonomie ist schlicht eine Klassifizierung, in diesem Fall für private Investitionen. Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse wird beurteilt, wie nachhaltig die Wirtschaftstätigkeit eines Unternehmens ist und ob sie zu den Umwelt- und Klimazielen der EU beiträgt. Die transparente Klassifizierung soll Investitionen in neue, nachhaltige Technologien fördern.

So sollte unter anderem ein Rahmen geschaffen werden, damit Investoren die steigende Zahl an scheinbar grünen Investitionsangeboten besser einordnen und Greenwashing vermeiden können. Die Taxonomie könnte in Zukunft auch von öffentlichen Banken wie die KfW oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) übernommen und für staatliche Taxonomien Vorbild werden, ordnet Greenpeace ein.

Atomkraft nein danke

Der Mythos der emissionsarmen Atomkraft hält sich hartnäckig und wurde in den vergangenen Jahren in Klimadiskussionen wiederholt ins Spiel gebracht. Tatsächlich kann Atomenergie kaum etwas zum Klimaschutz beitragen. Der Bau von Atomkraftwerken dauert zu lang und ist zu teuer. Während die Stromgestehungskosten von Erneuerbaren im vergangenen Jahrzehnt deutlich gefallen ist und weiter günstiger werden wird, gibt es bei der Atomenergie einen gegenläufigen Trend. Bau und Betrieb sind teurer geworden, und die Kosten werden wohl auch in Zukunft weiter steigen. Die Bauzeiten von AKWs belaufen sich durchschnittlich auf knapp ein bis zwei Jahrzehnte. Wind- oder Solaranlagen können deutlich schneller umgesetzt werden.

Im Betrieb sind Atomkraftwerke nicht mit Erneuerbaren Energien kompatibel. Ein von Erneuerbaren Energien dominiertes Stromnetz muss flexibel agieren, um zum Beispiel auf Erzeugungsspitzen reagieren zu können. Atomkraftwerke nur wirtschaftlich, wenn sie über Jahrzehnte im Dauerbetrieb laufen. Gebraucht werden jedoch flexible Kraftwerke oder Energiespeicher, die einspringen, wenn Erneuerbare gerade nicht genug Strom einspeisen. Atomkraft verringert hingegen die Anreize, Erneuerbare Energie zu nutzen und in sie und ein flexibles Stromsystem zu investieren.

Rechnet man die Emissionen vom Bau der Atomreaktoren, den Abbau und die Verarbeitung des Urans sowie den Betrieb zusammen, verursacht Atomenergie zwar weniger Emissionen als fossil betriebene Anlagen. AKWs stoßen aber mehr als doppelt so viele Emissionen aus wie Solarkraftwerke und mehr als vier Mal so viele wie Onshore Windparks.

Wind- und Sonnenenergie zusammen könnten die Emissionen jedoch bis 2030 zu geringeren Kosten fast zehn Mal wirksamer reduzieren, schreibt Greenpeace mit Verweis auf Daten des IPCC. Inklusive Baukosten kostet eine Megawattstunde Atomstrom durchschnittlich drei Mal so viel wie Erneuerbarer Strom. Atomkraft lenkt also lediglich Investitionen weg von dem, was notwendig ist: Erneuerbare Energien.

Hinzu kommen Gefahren des Betriebs in politisch instabilen Situationen, wie sich derzeit bei den umkämpften AKW in der Ukraine zeigt sowie das noch immer weltweit ungelöste Problem der Endlagerung gefährlichen Atommülls.

Zu hohe Grenzwerte für Erdgas

Die Taxonomie definiert Grenzwerte für Emissionen, die für eine Einstufung als nachhaltig zulässig sind. Die Grenzwerte sind jedoch zu hoch angesetzt und ermöglichen den Kraftwerken, deutlich mehr Emissionen auszustoßen, als mit dem 1,5 Grad-Ziel vereinbar sind. Obwohl die EU Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein will, sind Laufzeiten über 2050 hinaus möglich.

Werden Methanemissionen und CO2-Emissionen von Erdgaskraftwerken und seinen Lieferketten zusammengerechnet, stehe die Stromerzeugung aus Gas der aus Kohle kaum nach, so Greenpeace. Methanemissionen mussten bis vor kurzem nicht verbindlich gemessen werden und liegen wohl deutlich über bisherigen Annahmen. Gas in die Taxonomie einzubeziehen, führe einem Gutachten von Aurora Energy Research nach absolut zu mehr Ausbau von Gas und damit zu mehr CO2-Emissionen.

Investitionen in klimaschädliche Energieträger wie Erdgas binden Europa zudem länger als notwendig an fossile Energieträger und bremsen den Ausbau von Erneuerbaren. Erdgas als Brückentechnologie zu bezeichnen, ist in diesem Sinne irreführend. Zwar können Gaskraftwerke – anders als Atomkraftwerke – schnell an- und abgeschaltet werden und bieten so einen gewissen Flexibilitätsspielraum. Bei der Ausgestaltung des neuen Energiesystems stehen sie jedoch auch in direkter Konkurrenz zu Speichern und flexiblen Verbrauchern.

„Wenn die EU Erdgas und Atomkraft als nachhaltig deklariert, handelt sie ökologisch, finanziell und sozial unverantwortlich”, sagt Anna-Katharina Muth, Greenpeace-Expertin für Grüne Finanzen. „Statt Milliarden in klimaschädliche Energien zu lenken, sollte die EU den Ausbau der Erneuerbaren so beschleunigen, dass sie die eigenen Klimaziele erreicht.” jb

Leave A Reply