Stand: 19.12.2024 05:36 Uhr

    Auf dem EU-Gipfel kurz vor Weihnachten wird es alles andere als besinnlich zugehen: Der Krieg gegen die Ukraine steht auf der Agenda, ebenso die nahende Trump-Präsidentschaft – und auch sonst gibt es genug kontroverse Themen.

    Der Square du Bois ist eine abgeschlossene Privatstraße in Brüssel. Einer, der hinter dem imposanten Zaun wohnt, hatte am Abend sehr viel Besuch. Es ist NATO-Generalsekretär Mark Rutte, der hier seine Residenz hat. Nach und nach fahren mehrere Kolonnen vor: Limousinen jeweils begleitet von Polizeieskorten auf Motorrädern. Sie kommen rüber vom Europaviertel, wo vorher noch der EU-Gipfel mit den Westbalkan-Staaten getagt hatte.

    Auf dem informellen NATO-Gipfel in Brüssel war Wolodymyr Selenskyj der erste Gast. Beim EU-Gipfel wird er auch dabei sein.

    Am späten Abend ist der Kreis kleiner. Erster Gast ist Wolodymyr Selenskyj. Er kommt später als geplant. Vorher hatte er sich mit dem französischen Präsidenten getroffen, der danach Brüssel verlässt. Auf Ruttes Gästeliste stehen Bundeskanzler Scholz, sowie Staats- und Regierungschefs aus Italien, Polen, den Niederlanden und Dänemark. Auch dabei: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der neue Ratspräsident Antonio Costa. Großbritannien und Frankreich haben die Außenminister geschickt.

    Noch wenige Tage, bevor Trump die Macht übernimmt

    Heute, am Donnerstag, folgt der reguläre EU-Gipfel, bei dem Selenskyj ebenfalls dabei ist. Nur noch wenige Tage bis Weihnachten: Doch die Teilnehmer der hochrangigen Treffen sind nicht in der Stimmung, das Licht zu dämmen und das Jahr bei Gebäck und heißen Getränken besinnlich ausklingen zu lassen. Krisen und Kriege nehmen keine Rücksicht auf Feiertage. Russland führt weiter unerbittlich Krieg gegen die Ukraine. Und der Blick auf den Abreißkalender zeigt: Es sind nicht mehr viele Zettel abzureißen, bis in den USA mit Donald Trump ein Mann die Macht übernimmt, bei dem nur eins berechenbar ist: dass er unberechenbar ist.

    Die Ukraine und Trump: Diese beiden Themen auf der langen Gipfel-Agenda sind unmittelbar miteinander verknüpft. Vor wenigen Tagen hatte der angehende US-Präsident in Richtung von Selenskyj gesagt: “Er sollte bereit sein, einen Deal einzugehen.” Was das genau bedeutet, lässt er im Unklaren. Plant er die Ukraine mit aller Macht an den Verhandlungstisch zu zwingen – zum Beispiel, indem er die militärische Unterstützung der USA einschränkt oder sogar stoppt?

    Europäischen Friedenstruppe in der Ukraine?

    Längst wabert in der EU eine Diskussion darüber, ob westliche Truppen mithelfen könnten, einen möglichen Waffenstillstand abzusichern. Vor allem Frankreichs Präsident Macron gilt als Treiber einer solchen europäischen Friedenstruppe in der Ukraine. Bundeskanzler Scholz hält eine solche Debatte für zu früh. Die Ukraine solle erst die eigenen Ziele in Bezug auf den Frieden definieren. Es gelte in der “richtigen Reihenfolge” vorzugehen: “Da sind einige unterwegs, die sich, bevor die erste Frage gelöst ist, mit der zweiten beschäftigen. Das ist meistens nicht ratsam”.

    Selenskyj macht am Abend vor dem Treffen in der Residenz des NATO-Generalsekretärs sehr deutlich, welche Prioritäten er sieht. Der ukrainische Präsident will über “Sicherheitsgarantien für heute und für morgen” sprechen. Vorrangig und eher für heute als für morgen geht es ihm um mehr Flugabwehr für das Land. Auch Rutte hat kein Interesse an Planspielen über mögliche Szenarien. Es gehe jetzt vor allem darum sicherzustellen, dass der Präsident und die Ukraine in der “bestmöglichen Position” seien, wenn sie selbst “eines Tages” entscheiden würden, Friedensgespräche zu beginnen.

    Auch sonst bleibt genug Stoff für Diskussionen

    Der heutige EU-Gipfel will erneut ein Zeichen der Geschlossenheit senden. Es sollen keine Zweifel daran aufkommen, dass die Unterstützer das Land für alle Eventualitäten stark machen wollen. Welche Signale oder Zusagen hat Selenskyj im abendlichen Treffen beim NATO-Generalsekretär bekommen? Wie zufrieden wird er Brüssel verlassen? Anhaltspunkte dürfte seine Pressekonferenz liefern, die er nach dem Treffen mit den 27 EU-Chefs abhalten wird.

    Auch nachdem Selenskyj den Gipfel verlassen haben wird, bleibt genug Stoff für Diskussionen: Syrien nach dem Sturz von Assad, Migration, der grundsätzliche Umgang mit Trump sowie die Lage im Nahen Osten. Und doch soll das gesamte Programm an einem Tag abgearbeitet sein. So wünscht es sich zumindest der neue Ratspräsident Costa. Sein Ziel: Es soll mehr vorab vorbereitet und verhandelt werden, damit sich die Staats- und Regierungschefs ganz auf die großen strategischen Fragen konzentrieren können.

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