Mehr als 250 Auszubildenden und Studentinnen gibt es im Europa-Park Rust. 33 verschiedene Ausbildungsberufe sowie 13 duale Studiengänge bietet das badische Unternehmen an – zum Beispiel die Ausbildung zum Industriemechaniker

Nico Zink trägt seine Lebensversicherung am Gürtel. Ein kleines Vorhängeschloss aus schwarz lackiertem Metall, die vier Buchstaben seines Vornamens sind eingraviert. Früh am Morgen, wenn der Park noch still daliegt, geht Zink für einen letzten Kontrollgang die Schienen ab. Bevor er sie betritt, fixiert er mit dem Schloss zur Sicherheit den roten Notfallknopf. So kann der Zug nicht losfahren, selbst wenn seine Kollegen ihn übersehen und die Bahn starten sollten, obwohl er noch auf den Schienen ist. 

Zink ist dann schon seit Stunden auf den Beinen. Ab morgens um sechs kontrolliert er in der Werkstatt jede Schraube, jedes Rad, jede Schweißnaht. Erst nach dem Morgencheck dürfen die Wagen wieder für einen weiteren Tag über die Schienen rasen. Zinks Job: die Wartung und Instandhaltung von Achterbahnen. „Ich mache im Leben nichts anderes mehr“, sagt Zink. Er ist 18 Jahre alt. 

Seit einem guten Jahr lernt er im Freizeitpark zwischen ratternden Achterbahnen und Donut-Duft den Beruf des Industriemechanikers. Zink ist einer von mehr als 250 Auszubildenden und Studentinnen im Europa-Park Rust. 33 verschiedene Ausbildungsberufe sowie 13 duale Studiengänge bietet das badische Unternehmen an, hinter dem die Familie Mack steht. In Rust im Europa-Park und in Waldkirch bei Mack Rides, wo die Fahrgeschäfte entwickelt und produziert werden, lernen Industriemechaniker wie Nico Zink, aber zum Beispiel auch Hotelfachleute, Schilder- und Lichtreklameherstellerinnen, Maler und Lackierer und Studentinnen im dualen Studiengang BWL mit Schwerpunkt Freizeitwirtschaft. 

Im Freizeitpark herrscht Fachkräftemangel

An einem Morgen im Spätsommer schiebt sich ein Grüppchen Auszubildender durch die Besucherströme des Freizeitparks im Dreiländereck aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Sie laufen vorbei an den Maler- und Kostümwerkstätten, der Wasserachterbahn „Poseidon“ und der Holzachterbahn „Wodan“ zur Mack Akademie, dem Weiterbildungszentrum des Familienunternehmens. 

In den Cargohosen der Techniker stecken Zollstöcke und Cuttermesser. Eine angehende Hotelfachfrau trägt ein bodenlanges rotes Kleid, weil sie gerade im spanischen Themenhotel „El Andaluz“ arbeitet. Eine Kollegin mit Schürze und säuberlich gebügelter weißer Bluse wurde für die Ausbildung in den Restaurants des Europa-Parks eigens aus Kirgisistan angeworben, selbst im Freizeitpark herrscht Fachkräftemangel. 

Der Europa-Park arbeitet deswegen mit einer Agentur vor Ort zusammen, einmal im Jahr fliegen auch Personalverantwortliche des Europa-Parks nach Zentralasien und führen dort Gespräche mit Bewerberinnen. „Eine besondere Herausforderung ist es, die Ausbildungsplätze in der Hotellerie und Gastronomie zu besetzen”, erzählt Ausbildungsleiterin Cynthia Ziegler. Andere Auszubildende des Europa-Parks kommen etwa aus Usbekistan, Südafrika oder Namibia. 

„Freizeitpark-Freak“

Für Nico Zink, den angehenden Industriemechaniker, war der Weg nicht ganz so weit. Nach seinem Realschulabschluss ist er aus Frankfurt am Main nach Rust gezogen. „Ruhscht“ sagen sie hier im Badischen. Zink, hochgewachsen und mit weichen Gesichtszügen, läuft vorneweg. Der Park ist riesig und schwer zu überblicken. Zink weiß trotzdem immer den kürzesten Weg. Er scheint überhaupt so ziemlich alles zu wissen, was mit Achterbahnen und Freizeitparks zu tun hat. „Alles, was sich bewegt, übt eine Faszination auf mich aus. Das ist so ein Nerd-Ding“, sagt er und nennt sich selbst einen „Freizeitpark-Freak“. 

Seitdem er 2021 im Safariland Stukenbrock zum ersten Mal mit einer größeren Achterbahn über Kopf gefahren ist, was er sich vorher lange nicht getraut hatte, ist es um ihn geschehen. Jetzt ist er Mitglied im Freundeskreis Kirmes und Freizeitparks e. V. und sieht sich auf dem Youtube-Kanal „Ride Review“ Achterbahn-Kurzfilme an. Sein „Coaster Count“ liegt bei 114. Der Wert gibt an, mit wie vielen verschiedenen Achterbahnen er schon gefahren ist. 114 findet Zink sehr niedrig, andere hätten schließlich schon mehr als 2500. Vermutlich sind die aber auch älter als 18. Die Frage, ob er an den Wochenenden andere Freizeitparks besuche, beantwortet er mit einem lässigen: „Natürlich.“ Überhaupt würden ihm die Wochenenden etwas lang, erzählt er. Er denke dann immer, es könnte jetzt auch wieder losgehen mit der Arbeit. 

Nach einem Bewerbungsgespräch per Videocall wurde Zink zu einem dreitägigen Probearbeiten eingeladen. „90 Prozent der Bewerbungsgespräche führen wir online, zum Probearbeiten kommen dann alle hierher“, sagt Ausbildungsleiterin Ziegler. „Beide Seiten müssen ja herausfinden, ob es passt.“ Minimum ist ein Tag, manche arbeiten auch eine ganze Woche zur Probe. Wer sich für ein duales Studium bewirbt, muss auch ein einminütiges Bewerbungsvideo einreichen und an einem Assessment-Center teilnehmen. Als Cynthia Ziegler Nico Zink anrief, um ihm zu sagen, dass er im Europa-Park anfangen könne, hatte der gerade einen Ausbildungsvertrag bei der Deutschen Bahn unterschrieben – den er prompt wieder auflöste. 

Rund 5000 Beschäftigte

Im September 2023 ging es mit einem Einführungsprogramm los. „Wir haben unseren Onboarding-Prozess neu aufgesetzt und zentralisiert“, sagt Frederik Mack. Er sitzt im Schatten an einem Tisch im Freizeitpark. Mack, 29, ist im Europa-Park Personal- und Finanzdirektor. Sein Vater Jürgen Mack und sein Onkel Roland Mack haben das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Vater Franz Mack aufgebaut.

Carina Ruschmann lernt Schilder- und Lichtreklameherstellung im Europa-Park

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1975 eröffnete der Europa-Park, heute kommen jedes Jahr über sechs Millionen Besucher. In der Saison sind im Unternehmen rund 5000 Menschen beschäftigt, darunter ein knappes Dutzend Mitglieder der Familie Mack. Weil das gar nicht so einfach zu merken ist, spielen die Azubis in den Einführungstagen „Mack Memory“ mit Porträtfotos der Gründerfamilie. Ihren Start haben die Neuen im „Welcome Center 75“. Am ersten Tag lernen sie den Park und Rust kennen, am zweiten stehen Schulungen auf dem Programm, zum Beispiel zu Arbeitsschutz und den Unternehmenswerten. Der dritte Tag ist der erste Arbeitstag. 

Zink ist nun in sein zweites Ausbildungsjahr gestartet. Es ist Nachmittag geworden im Park, sein Arbeitstag neigt sich dem Ende zu. In den ersten Monaten ist er nach Feierabend noch Achterbahn gefahren, jetzt will selbst ein „Freizeitpark-Freak“ wie er mal nach Hause. Wenn er durch den Park läuft, sieht er das „fette Grinsen der Leute“ in den Achterbahnen. „Das macht mich stolz“, sagt er. Die Schreckens- und Freudenschreie, die den ganzen Tag über das Gelände schallen, sind die Klangkulisse seiner Arbeitstage. Er hört sie schon fast nicht mehr.

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