Das ist jetzt wichtig, es geht um Ihre Informationsrechte, bitte nehmen Sie sich die Zeit, diesen Text zu lesen. Dem FALTER wurde heute ein Gesetzesentwurf aus dem ÖVP-Klub zugespielt. Er wurde im März dieses Jahres von dort in die sogenannte "Koordinierung" geleitet. Das ist jenes Gremium, in dem ÖVP und Grüne ihre Gesetzesentwürfe abstimmen.

Das Geheimpapier ist ein Anschlag auf die freie Presse. Die Volkspartei wollte nicht nur die investigative Berichterstattung zensieren, sondern Journalisten und ihren Informanten allen Ernstes Freiheitsstrafen androhen. Nämlich dann, wenn sie über Korruptionsverfahren oder andere heikle gerichtliche Ermittlungen berichten.

Worum geht’s? Nachdem FALTER, Standard, Profil, Presse, ORF und viele andere investigative Medien immer wieder aus Akten zur Inseratenaffäre, dem Fall Ibiza, aber auch der Causa Grasser, ÖBAG, Sigi Wolf und René Benko berichtet haben, dürfte es der ÖVP zu viel geworden sein.

Als die Regierung über eine Reform des Datenschutzgesetzes verhandelte, warf die ÖVP ihre Ideen zu einem "Berichterstattungsverbot" ein. Offiziell verkündete Verfassungsministerin Karoline Edtstadler in einem Hintergrundgespräch, sie wolle nur die Beschuldigtenrechte stärken und das faire Verfahren. Man solle bloß nicht mehr direkt aus "privaten Chats" oder Zeugeneinvernahmen zitieren, aber eine Berichterstattung über Korruption und Misswirtschaft sein natürlich zulässig.

Der bislang unbekannte Gesetzesentwurf der ÖVP zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Wörtlich heißt es in der geplanten Strafbestimmung "Verbotene Veröffentlichung":

Wer Informationen aus amtlichen Dokumenten eines Strafverfahrens, (analoge und digitale Schriftstücke aus Ermittlungsakten sowie die Anklageschrift bzw. der Strafantrag gemeint, Anm.) die nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen sind oder sonst öffentlich bekannt wurden, (…) veröffentlicht, ist zu bestrafen,

wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der von der Mitteilung betroffenen Personen, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen,

oder wenn dadurch der Grundsatz der Unschuldsvermutung oder

das Recht auf ein faires Verfahren der von der Mitteilung betroffenen Personen verletzt würden.

Klingt aufs erste harmlos, ist es aber gar nicht. Die ÖVP wollte jede Information aus amtlichen Dokumenten zensieren, also nicht nur (in-)direkte Zitate, sondern auch vorgeworfene Delikte, die Namen von mitbeschuldigten Politikern, aber auch Triviales. Warum? Offenbar um sich die Presse vom Leibe zu halten.

Schon jetzt ist nämlich die Verletzung der Unschuldsvermutung entschädigungspflichtig, aber eben nicht strafbar. Diese "Zivilisierung" des Medienrechts war eine Errungenschaft der 80er-Jahre. Nicht der Staatsanwalt und die Polizei sollten Medien verfolgen, sondern allenfalls die Betroffenen selbst einen Schadensersatz vor dem Mediengericht einklagen. Also: Wenn sich Sebastian Kurz in seinen Rechten verletzt sieht, kann er das Medium verklagen. Nun sollte aber der Staatsanwalt den Journalisten persönlich verfolgen – von Amts wegen.

Die ÖVP begnügt sich nicht damit, dass Medien Entschädigungen zahlen, sondern sie will den Journalisten Vorstrafen umhängen und die Staatsmacht in Stellung bringen – und zwar selbst dann, wenn die Berichterstattung im öffentlichen Interesse war und der Betroffene gar nicht klagen will.

Das hätte weitreichende Konsequenzen. Journalisten würden nicht mehr als "Zeugen" dem Redaktionsgeheimnis unterliegen, weil sie Beschuldigte sind. Die Staatsanwaltschaft könnte von sich aus in Redaktionsräume eindringen und heikles Material beschlagnahmen. Sogar Opfer von Strafverfahren (man denke an jenes Mädchen, das Opfer einer Gruppenvergewaltigung wurde), würden sich als Anstifter (Bestimmungstäter) strafbar machen.

Das ÖVP-"Berichterstattungsverbot" hätte also einen massiven Abschreckungseffekt auf Medien und Bürger. Nicht nur korrupte Politiker wären geschützt, sondern etwa auch Vergewaltiger, deren Opfer sich an Medien wenden, um eine lasche Verfolgung zu beklagen. Oder Folteropfer, die sich über die Polizei beschweren und ihre Einvernahmeprotokolle herzeigen.

Die Grünen haben dieses Berichterstattungsverbot von Anfang an durchschaut und erfolgreich verhindert. Der Entwurf sei nicht mehr aktuell, beschwichtigt heute eine Sprecherin von Karoline Edtstadler. Er stamme aus dem ÖVP-Klub. Deren Chef ist August Wöginger, gegen den die WKStA ermittelt. Darüber sollten wir nicht mehr berichten dürfen, wenn sein "faires Verfahren" verletzt wird. Was immer das heißt.

https://i.redd.it/s6wxlet4dlqd1.jpeg

Von r0ibaer

13 Comments

  1. evil-godhead on

    noch schnell durchs parlament peitschen damit die blauen den perfekten kontroll und überwachungsstaat vorfinden

  2. wegwerferie on

    >Deren Chef ist August Wöginger, gegen den die WKStA ermittelt.

    Ich kann echt nicht glauben dass die Sigi Maurer für den ernsthaft immer noch eine Lanze bricht (zb grade erst bei Datum). Irgendwie stelle ich mir das getue hinter den Kulissen der Schwarz-Grünen Koalition wie eine billige Schmierenkomödie vor.

    Ich kann vielleicht mit etwas Augen zudrücken verstehen warum die ÖVP findet peinliche chats zu posten ist zu viel/gehört nicht in die Medien wenn der Hauptgrund eher Belustigung über Leute ist die noch nicht verurteilt sind.

    Aber Haft ist da offensichtlich psychotisch, wenn könnte man da auf Unterlassung oder Schadenersatz gehen, aber Haft ist echt zu arg.

    Besonders wenn man sich parallel dazu reinzieht wie die ÖVP Niederösterreich konsequent Berichterstattung über Skandale in NÖ unterdrückt hat: https://www.dossier.at/dossiers/wolfgang-sobotkas-schule-der-macht/journalismus-mit-handicap/ (von, die haben echt versucht ob sie sich drücken können was über Ibiza zu berichten bis zu Dingen die die nicht parteipolitische Bevölkerung interessieren würden, zb dass eine Spitalsabteilung zu ist weil es kein Personal gibt)

    Wie gesagt, ich bin fest überzeugt dass Schwarz/Blau fix geplant ist weil die ÖVP viel zu viel zu verstecken hat (von Kurz bis Pilnacek).

  3. Haha, eine schnelle Blendgranate noch so kurz or der Wahl.

    Wie der Text eh schon klarstellt, darf ja noch weiter zitiert werden, wenn öffentliche Interessen überwiegen.

    Wird bei einem Verfahren über Korruption bei Politikers ja eh der Fall sein.

    Und den Ausschluss der Öffentlichkeit entscheidet ja eh schon ein unabhängiger Richter.

    Wenn die ÖVP also verhindern wollen würde, dass zukünftig nicht über Details von Korruptionsverhandlungen berichtet wird, ist das halt ein offensichtlich untaugliches Mittel dazu.

    Und für alle anderen Fälle ist das ja ein Benefit, dass die Medien nicht eine Hetzjagd auf irgendwen veranstalten können, bevor überhaupt ein Urteil gefällt wurde, nur, weil eine einzige Partei Informationen an die Presse weitergibt – oft gegen einen Preis

    Man stelle sich vor, man ist unschuldig angeklagt wegen einer Vergewaltigung, wie von OP erwähnt. Und die Presse kann Wochen- bis monatelang die Öffentlichkeit mit allen grauslichem Details füttern, weil das Opfer oder dessen Angehörige die Infos weiterleiten – selbst, nachdem ein Richter den Ausschluss der Öffentlichkeit verfügt hat.

    Es ist auch gang und gäbe, dass bei der Opferseite die Emotionen hochgehen und man sich halt auf den konzentriert, den man von der Anklage präsentiert bekommt.

    Wenn man dann am Ende tatsächlich freigesprochen wird, wie hoch sind die Chancen, dass dann einfach absolut jeder, der bis jetzt die Story in allen Details verfolgt hat, glaubt? Sehr gering.

    Also hat ein Unschuldiger, oder eine Unschuldige, einen Schaden an Reputation und Ansehen, nur, weil der Staat ihn verdächtig hat. Das kann auch nicht sein.

    Gute Initiative – wer das als gesellschaftsschädigende Einschränkung der Pressefreiheit sieht, dem kann man auch nicht mehr helfen.

  4. coolshadow18 on

    Gibt’s für die Echtheit eine Bestätigung seitens des Falters?

    Auf der offiziellen Webseite des Falters ist nichts zu finden…

    Quelle?

  5. S-Budget91 on

    schreibt der falter immer solche newsletter?

    “das ist jetzt wichtig…”

    das schaut irgendwie aus wie so ein schlecht zusammenkopierter und aus dem kontext gerissener rechter schwurbler post der “beweise” für die grün-linke weltverschwörung enthalten soll

  6. Suitable-Name on

    Erdogan und Putin sind bisher gut damit gefahren Journalisten einzubuchten. Warum nicht mal hier probieren? Oo

  7. coolshadow18 on

    So kurz vor der Wahl zu veröffentlichen, ist doch nur eine Stimmungsmache für die FPÖ.
    Oder welcher Partei soll sonst nutzen davon haben?

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